Tanzen im Mittelalter

Auch im Mittelalter wusste man schon, was zu jedem guten Fest dazugehört: das Tanzen. Anders als heute, wo man entweder im festen Paar oder auch ganz alleine auf der Tanzfläche steht, war der historische Tanz ein sehr geselliger Spaß. Viele der alten Tänze sind leicht zu lernen. Und nicht wenige dienen gradezu als Kontaktbörse, denn in jeder neuen Strophe wechseln man den Partner und tanzt so nach und nach mit jedem der Anwesenden.

Getanzt wurde sowohl auf dem Dorf als auch in der Burg. Nicht selten kopierten die Adligen die lustigen Bauerntänze und anders herum. Tänze wurden tradiert wie gute Geschichten – aber keiner schrieb sie auf. Denn der Tanz hatte einen schweren Stand in der von der Kirche bestimmten Kultur des Mittelalters. Immer wieder wurden Verbote gegen das wilde Tanzen ausgesprochen. Neben dem Sittenverfall fürchtete man die Tanzwut, eine ansteckende Krankheit, die den Tänzer erfasste und zu allen möglichen Sünden veranlasste. So postulierte der heilige Augustinus im frühen Mittelalter: „Der Tanz ist   ein Kreis, dessen Mittelpunkt der Teufel ist.“

Mit der Reformation und dem Übergang von Mittelalter zur Neuzeit entstanden in ganz Europa erste Tanzlehrbücher, die heute unsere wichtigsten Quellen für die Rekonstruktion der damaligen Tänze sind. Wichtig sind das Tanzbuch von Fabritio Caroso von 1581 aus Italien oder das von John Playford von 1651 aus England. Diese Bücher enthalten nicht nur Aufzeichnungen zu den Tanzschritten und den Melodien, sondern häufig auch Benimmregeln für den korrekten Umgang zwischen Herr und Dame. So schreibt in Frankreich der Domherr von Langres, Jehan Tarbourot, unter dem Anagramm Thoinot Arbeau 1589 seine „Orchésographie“ und bemerkt darin: „Tänze sind eingerichtete worden, um auszuprobieren, ob die Liebenden gesund sind und ihre Glieder gebrauchen können. Am Schluss ist es den Herren erlaubt, ihre Damen zu küssen, damit sie sich unauffällig gegenseitig beriechen können und merken, ob sie einen angenehmen Athem haben oder stinken.“

Neben diesen schriftlich überlieferten Tänzen, die meistens in den höheren Kreisen getanzt wurden, gibt es noch die wenigen mittelalterlichen Tänze, die es über die Tradition bis in unsere Zeit geschafft haben. Wir kennen sie heute als Volkstanz und vergessen dabei leider zu oft, dass sie nichts mit der Volksmusik und dem Musikantenstadl zu tun haben, sondern tausend Jahre alte Zeugen unserer Geschichte sind.